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Meinungen zu meinen Büchern, Texten und den Zeitläuften …

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  1. Lie­ber Peter,

    ich weiß, dass du kein Tech­nik­feind bist. Ver­zeih mir bit­te, wenn das in mei­ner Kri­tik nicht deut­lich wur­de. Es ging mir viel­mehr dar­um, neben den Risi­ken auch die Chan­cen, die der tech­ni­sche Fort­schritt bie­tet, in adäqua­ter Wei­se anzu­spre­chen.

    In der Tat den­ke ich, dass der Punkt, ob der Staat den Ein­zel­nen dar­an hin­dern darf sich selbst zu opti­mie­ren, eine zen­tra­le Rol­le spielt.

    Weil bei phi­lo­so­phi­schen Betrach­tun­gen ger­ne Robin­so­na­den ver­wen­det wer­den, möch­te ich auch ein klei­nes Gedan­ken­mo­dell ver­wen­den. Robin­son ist auf sei­ner ein­sa­men Insel. Nach reich­li­cher Über­le­gung und nach Abwä­gung aller Risi­ken ent­schei­det er sich dazu, sich selbst unter Ein­satz von Tech­nik zu opti­mie­ren. Dem wür­de wohl wenig ent­ge­gen spre­chen.

    Etwas kom­ple­xer wird es, wenn der gesell­schaft­li­che Kon­text berück­sich­tigt wer­den muss. Hier stellt sich mei­ner Ansicht nach aber nicht mehr die Fra­ge nach der „Frei­heit der Opti­mie­rung“, inso­fern jeder die mate­ri­el­le Mög­lich­keit der Opti­mie­rung hat, son­dern nach der Frei­heit der Nicht­op­ti­mie­rung. Wenn sich Men­schen also nach Abwä­gung aller Chan­cen und Risi­ken bewusst gegen eine Opti­mie­rung ent­schei­den. So ist die tat­säch­li­che Ent­schei­dungs­frei­heit erst gege­ben, wenn die Ent­schei­dung ohne nega­ti­ve Kon­se­quen­zen getrof­fen wer­den kann – also z. B. mit einer Ent­schei­dung gegen eine Opti­mie­rung kei­ne nega­ti­ven mate­ri­el­len Kon­se­quen­zen für das Indi­vi­du­um ein­her­ge­hen.

    Viel­leicht las­sen sich die­se Punk­te ja noch in einer unse­rer Phi­lo­so­phierun­den näher beleuch­ten – span­nen­des The­ma!

    Lie­be Grü­ße und ein ange­neh­mes Wochen­en­de
    Den­nis

  2. Hal­lo Den­nis,

    Dan­ke für Dei­nen aus­führ­li­chen Bei­trag. Du hast Dei­ne Kri­tik recht sanft for­mu­liert. Dazu möch­te ich sagen:

    Ich bin nicht gegen voll­au­to­ma­ti­sche Fabri­ken. Sonst müss­te ich ja auch etwas gegen Geträn­ke­au­to­ma­ten haben, die sozu­sa­gen einen Geträn­ke­shop im Klei­nen dar­stel­len. Aber wie beim Geträn­ke­au­to­ma­ten, der ja Tag und Nacht im Ein­satz ist und Per­so­nal über­flüs­sig macht, wür­de wohl auch eine „auto­ma­ti­sche Wirt­schaft“ wohl zunächst ein­mal zu Frei­set­zun­gen füh­ren (wenn nicht neue Arbeits­mög­lich­kei­ten gefun­den wer­den). Das wür­de bevor­zugt Län­der mit nied­ri­gem Tech­no­lo­gie­sie­rungs­grad tref­fen. Was ist dann übri­gens mit der Nach­fra­ge? Wenn es nicht mehr genug Arbeits­ein­kom­men gibt? Wür­de dann eine neue Sub­sis­tenz­wirt­schaft auch in Indus­trie­län­dern ent­ste­hen? Rie­si­ge Slums ent­ste­hen? Wür­den sich die Unter­neh­men die Pro­duk­te gegen­sei­tig abkau­fen? Oder wür­de der Staat die Unter­neh­men stär­ker besteu­ern, um das Geld dann in Infra­struk­tur­pro­jek­te zu ste­cken (wohl­ge­merkt: ohne die Arbeits­lo­sig­keit merk­lich zu ver­rin­gern). Die Wirt­schaft („Umgang mit knap­pen Gütern zur Befrie­di­gung von Bedürf­nis­sen“) wäre damit weit­ge­hend sinn­ent­leert. – Und rekla­mie­re mal ein feh­ler­haf­tes Pro­dukt bei einer auto­ma­ti­schen Fabrik.

    Schon gar nicht bin ich gegen im Reagenz­glas gezüch­te­te Orga­ne oder Fleisch als Nah­rungs­mit­tel. Ich bin über­haupt nicht tech­nik­feind­lich. Wie du bin ich der Ansicht, dass dies alles beherrsch­bar blei­ben muss, und dass die Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit eine zen­tra­le Rol­le spie­len muss. Es geht auch nicht um Arbeits­plät­ze, son­dern um Ein­kom­men.

    Der Haupt­punkt dei­ner Kri­tik scheint mir die For­mu­lie­rung der Zie­le für die wei­te­re Mensch­li­che Ent­wick­lung am Schluss des Essays zu sein, die um die Fest­stel­lung krei­sen: Der Mensch soll blei­ben, wie er ist. Darf der Staat den Ein­zel­nen dar­an hin­dern, sich selbst zu opti­mie­ren? (Er könn­te z.B. die Ange­bo­te ver­bie­ten). Mich erin­nert das an das Wett­be­werbs­recht: Dür­fen sich Unter­neh­men aus frei­em Wil­len zu Kar­tel­len zusam­men­schlie­ßen oder zu Mono­po­len ent­wi­ckeln? Es gibt sicher noch zahl­rei­che Bei­spie­le des staat­li­chen Ein­griffs in die indi­vi­du­el­le Frei­heit. Ent­schei­dend ist, ob durch indi­vi­du­el­le Ent­schei­dun­gen eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Ent­wick­lung beför­dert wird, die letzt­lich nega­tiv auf die Indi­vi­du­en zurück­wirkt. Indi­vi­du­el­le Opti­mie­rung ist ein Null­sum­men­spiel.

    Darf man sol­che Zie­le über­haupt for­mu­lie­ren? Oder wie wür­dest du sie fas­sen?

  3. Lie­ber Peter,

    der Essay Hyper­mo­der­ne regt zum Nach­den­ken an und beleuch­tet aktu­el­le Trends kri­tisch. An eini­gen Punk­ten stel­len sich für mich aller­dings Fra­gen:

    Was ist an voll­au­to­ma­ti­schen Fabri­ken aus­zu­set­zen, wenn sie den Men­schen von kör­per­li­cher Arbeit ent­las­ten?

    Was ist an in Petri­scha­len gezüch­te­ten Orga­nen ver­werf­lich, wenn dadurch Leben geret­tet wer­den?

    Es wird schnell ersicht­lich, dass nicht der tech­no­lo­gi­sche Fort­schritt das Pro­blem ist, son­dern wie von dir ange­spro­chen, wie wir Men­schen damit umge­hen. Eine zen­tra­le Rol­le wird m. E. die Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit spie­len. In Anleh­nung an Rawls’ Gerech­tig­keits­theo­rie und unter Anbe­tracht einer vor­han­de­nen oder eben nicht vor­han­de­nen Chan­cen­gleich­heit wäre eine phi­lo­so­phi­sche Betrach­tung sicher­lich von Inter­es­se.

    Aber auch der Aspekt der Frei­heit ist von Rele­vanz.
    „Der Mensch muss kör­per­lich und geis­tig so blei­ben, wie er ist. Im Scha­dens­fall darf er medi­zi­nisch wie­der­her­ge­stellt wer­den; eine Opti­mie­rung sei­ner prin­zi­pi­el­len Fähig­kei­ten ist jedoch ver­bo­ten.“
    Wie weit darf die Gesell­schaft in die Ent­schei­dung eines Indi­vi­du­ums ein­grei­fen? Darf die Gesell­schaft einem Indi­vi­du­um eine Opti­mie­rung, also letzt­lich den Zugriff auf Tech­nik, ver­bie­ten? Wenn ja, mit wel­cher phi­lo­so­phi­schen Grund­la­ge? Nach Kant endet die Frei­heit des Ein­zel­nen dort, wo die Frei­heit des Ande­ren beginnt. Wird die Frei­heit eines Ande­ren durch eine Opti­mie­rung eines Ein­zel­nen ein­ge­schränkt? Wenn ja, wie lie­ße sich das ver­hin­dern, ohne in die Ent­schei­dungs­ho­heit des Ein­zel­nen ein­zu­grei­fen?

    Es gibt für die Zukunft vie­le Fra­gen, die es zu beleuch­ten gilt, wenn die Men­schen die Zukunft aktiv mit­ge­stal­ten wol­len. Es wäre doch scha­de, wenn die Zukunft der Mensch­heit so dun­kel aus­se­hen wür­de. Von daher fin­de ich dei­nen Essay anre­gend für wei­te­re tief­grün­di­ge Betrach­tun­gen.

    Lie­be Grü­ße
    Den­nis

  4. Mein Brief an die Lokal­zei­tung „Mär­ki­sche Oderzeitung/​Barnim Echo” zu einer Ver­an­stal­tung zum The­ma „Trans­hu­ma­nis­mus”.

    Lei­der konn­te ich an der Ver­an­stal­tung zum Trans­hu­ma­nis­mus nicht teil­neh­men. Das bedaue­re ich, denn ich hal­te das The­ma für äußerst wich­tig. Die Idee, den Men­schen zu opti­mie­ren, wie es in ihrem Arti­kel anklingt, hal­te ich für eine Wahn­idee, die an Goe­thes „Zau­ber­lehr­ling“ erin­nert. Es kann nur schief­ge­hen. Nichts­des­to­we­ni­ger sehe ich nicht, wie sie ver­hin­dert wer­den kann. Sie wird sich über die medi­zi­ni­sche For­schung, wie im Arti­kel (Coch­lea-Implan­tat) ange­deu­tet, ein­schlei­chen. Wohl­ge­merkt: Es geht nicht um the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men zur Wie­der­her­stel­lung der Gesund­heit. Es geht um die Opti­mie­rung in Rich­tung kampf­kräf­ti­ge­re Sol­da­ten, zähe­re Arbei­ter, schlaue­re Ent­schei­der. Robo­cop lässt grü­ßen. Ein grö­ße­res Glück wird es nicht geben. Es wird nur die Kon­kur­renz zwi­schen den Men­schen auf eine kom­ple­xe­re Ebe­ne hoch­ge­zont und ver­schärft. Ver­lie­rer wer­den die „Nicht­op­ti­mier­ten“ sein, die sich das alles nicht leis­ten kön­nen.
    PWR

  5. Hal­lo Die­ter,
    schön, dass Sie mir schrei­ben! All zu vie­le waren es ja bis­her nicht. Ja, ich bin selbst erstaunt, wie sich Hel­muts Gedan­ken im aktu­el­len Wahl­ge­tüm­mel wider­spie­geln. Wie­der ein­mal redet man vom frus­trier­ten, abge­häng­ten Pre­ka­ri­at und ver­gisst, dass z.B. Sach­sen mit sei­nen Uni­ver­si­tä­ten und dem rela­tiv hohen Lebens­stan­dard ganz gut dasteht. Da wären doch eher Meck­pomm oder Sach­sen-Anhalt zu nen­nen! Aber ein­zu­se­hen, dass es sich auch um einen geis­ti­gen Dis­sens über die Rich­tung der Poli­tik han­delt, das kann das Estab­lish­ment nicht. Es inten­si­viert nur das bis­he­ri­ge Indok­tri­na­ti­ons­geh­abe. Sonst müss­te es ja ja wirk­lich argu­men­tie­ren, anstatt nur zu schmä­hen.
    Was die feh­len­den Lösungs­vor­schlä­ge betrifft, so ist es nicht so, dass ich kei­ne habe. Dafür bin ich doch zu sehr Volks­wirt und Stadt­pla­ner. Aber man soll­te so ein Buch nicht über­frach­ten und erst ein­mal klä­ren, ob man mit der dar­in getrof­fe­nen Dia­gno­se über­ein­stimmt. Lösungs­vor­schlä­ge wären viel­leicht die Ange­le­gen­heit eines wei­te­ren Urlaubs auf Gozo, und sie lägen sicher­lich völ­lig quer zu der gegen­wär­ti­gen „Brot-und-Spie­le-Poli­tik”, erfun­den im alten Rom zur Beru­hi­gung der Mas­sen. Immer­hin habe ich die Beschlie­ßung des Grund­ge­set­zes als ordent­li­che Ver­fas­sung vor­ge­schla­gen, wie es immer vor­ge­se­hen war. Dabei wür­de sicher­lich Erstaun­li­ches zu Tage tre­ten.
    Schö­ne Tage P.W. Rich­ter

  6. Ich habe das Buch mit gro­ßem Inter­es­se gele­sen, eini­ges habe ich nicht ver­stan­den, aber der Grund­ge­dan­ke oder die Grund­er­kennt­nis, hat mich sehr getrof­fen. In Vie­lem den­ke ich so wie ” Hel­mut”. Ich habe Ängs­te, aber auch Hoff­nun­gen. Ich glau­be es ist Zeit für Ver­än­de­run­gen !!
    Ein wenig feh­len mir ” Lösungs­vor­schlä­ge ” was wohl dar­an liegt das ich ein Ossi bin.
    Beson­ders inter­es­sant sind die geschicht­li­chen Zusam­men­hän­ge, an die man oft nicht denkt. Das Gedicht zum Schluss, ein­fach geni­al. Es ist schon erstaun­lich wie lan­ge sich ein Volk ver­dum­men lässt
    Ich hof­fe wir erle­ben noch ande­re Zei­ten oder erken­nen end­lich unse­re Chan­cen. Es wird Zeit das wir wie­der Men­schen wer­den.

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